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Die Schlacht bei
Lutter am Barenberge
über diese Schlacht, die am 27. August des Jahres 1626 stattfand, ist bereits
dermaßen viel geschrieben worden (1), dass es überflüssig erscheinen
muss, wenn dieselbe hier noch einmal abgehandelt wird. Aber für kein Dorf im
Lutterer Becken hat dies Ereignis eine solche Bedeutung gehabt wie gerade für
Hahausen und daher darf in der Hahäuser Ortschronik eine Schilderung des
Schlachtverlaufs wohl nicht fehlen.
Die Schlacht bei Lutter am Barenberge war für unsere engere Heimat und
darüber hinaus für ganz Niedersachsen von schicksalhafter Bedeutung und
wie der ganze Dreißigjährige Krieg für uns Deutsche von besonderer
Tragik. Hier kämpften Deutsche gegen Deutsche um der, nach der jeweiligen
Meinung, einzig richtigen Religion willen. Dass viele andere Gründe
mitspielten, ist bekannt.
Die Schlacht am 27. August des Jahres 1626 wird allgemein als ein Kampf
zwischen Dänen oder Protestanten und Ligisten Kaiserlichern oder
Katholiken angesehen. Das ist aber eine grobe Vereinfachung. König
Christian IV. von Dänemark war als Herzog von Holstein deutscher
Reichsfürst und als solcher zum Kreisobersten des Niedersächsischen
Kreises gewählt. Die Armee, die er in die Schlacht führte, bestand
überwiegend aus Deutschen, Nur die königliche Leibschwadron
setzte sich aus Dänen - 300 Edelleuten - zusammen, außerdem
nahm ein schwedisches Regiment aus Schonen an der Schlacht teil, da
Südschweden damals noch zu Dänemark gehörte. Der
Feldherr der katholischen Liga, Johann Tserclaes, seit 1623 Graf von
Tilly, war ein Wallone aus dem heutigen Belgien, das damals noch zum
Reich gehörte. Er führte stets einen deutschen und einen
französischen Sekretär mit ins Feld. Seine Armee bestand in
ihrer Masse gleichfalls aus Deutschen, zu denen bei den Kaiserlichen
Wallensteins einige berittene leichtbewaffnete kroatische Einheiten
kamen, der so genannte "Ausschuss". In Tillys Armee befanden sich
außerdem eine Anzahl Wallonen. Über beide Armeen verstreut
waren Abendteuerer aus fast allen europäischen Ländern,
Landsknechtnaturen, die je nach Kriegsglück ihre Dienste wechselten.
Doch nicht nur die eigentlichen Teilnehmer an dem blutigen Fechten waren
die Betroffenen, sondern ebenso die Bewohner der Dörfer der Ebene von Lutter,
und hier ganz besonders unsere Vorfahren, die Einwohner von Hahausen.
Diesen Menschen, die schon jahrelang von der Kriegsfurie heimgesucht
worden waren, blieb nichts anderes übrig, als Haus und Hof
zu verlassen und sich im Schutz der Wälder zu verbergen. Hab und
Gut musste der plündernden und marodierenden Soldateska überlassen
werden, denn es galt, erst einmal das nackte Leben zu retten.
(1) Schilderung der Schlacht in: Merian, Matthäus: Theatrum Europaeum,
1662; Handschrift von 1710, St. A. Wob. 8 Alt Lu 88; Lichtenstein: Die
Schlacht bei Lutter am Barenberge, 1922; Klay, Kurt: Ein pommerscher
Reiteroberst kämpfte bei Lutter, 1965; Förtsch, Friedrich: Die
Schlacht bei Lutter am Barenberge, 1976; Kalthammer, Wilhelm: Vor 350 Jahren:
Die Schlacht bei Lutter am Barenberge, 1976
Chronik, Seite 59
Doch wie kam es zur Schlacht?
Die Schlacht bei Lutter am Barenberge fällt in die so genannte zweite Periode
des großen Glaubenkrieges, die man den "Niederdeutsch - dänischen Krieg"
genannt hat. Auf der einen Seite standen sich gegenüber der römisch-deutsche
Kaiser Ferdinand II. und die Liga der katholischen Fürsten, auf der andern
Seite, dem protestantischen Lager, neben anderen insbesondere die Fürsten des
Niedersächsischen Kreises.
Im Sommer 1626 hielt Tilly das obere und mittlere Leinegebiet mit Ausnahme
von Göttingen, das er belagerte, und Northeim. König Christian IV. stand
mit seinem Heer an der mittleren Oker, gestützt auf der Festung Wolfenbüttel.
Aus dieser Lage heraus fasste Christian Anfang August 1626 den Entschluss
Tilly anzugreifen und aus Niedersachsen zu vertreiben. Erstes Ziel war, Göttingen
zu ersetzen; er wusste allerdings nicht, dass Tilly die Stadt bereits am 11.
August erobert hatte. Auch konnte Christian schließ nicht verhindern, dass dem
ihm bis dahin zahlenmäßig unterlegenen ligistischen Heer Tillys
kaiserliche Wallensteinische Truppen zugeführt wurden.
Nach vielen Märschen - am 04. August zog das "dänische" Heer von Lutter
über die Heerstraße durch Hahausen nach Seesen - und Gegenmärschen im
Laufe des Monats August, die bis in die Gegend von Duderstadt führten und
schließlich in eine Flucht des "dänischen" Heeres, wie wir es alter
Gewohnheit nach nennen wollen, ausarteten, erreichte König Christian am 26.
August 1626 Seesen, wo er eine Stellung auf dem Hasseberg bezog. In der Nacht setzte
er sich ab in Richtung Neuekrug, das damals noch nicht bestand. Der enge Pass
südlich von Neuekrug, Kiliansloch, im Volksmund "Tilliansloch" genannt, diente
ihm zum Durchschleusen seines Heeres, während beim Vorwerk Klingenhagen
Scharmützel stattfanden.
Schwerfällig erreichte das dänische Heer das Dorf Hahausen. Die Bewohner
waren in die umliegenden Wälder geflohen. Obwohl Protestanten und Untertanen
des Herzogs von Braunschweig, der als Glied des Niedersächsischen Kreises
Verbündeter des Dänenkönigs war, fürchteten sie die Soldateska
beider Kriegs führenden Parteien. Es gab weder Freund noch Feind. Wer den
durchziehenden Truppen in die Hände fiel, war unmenschlichen Drangsalierungen
ausgesetzt, die nicht selten mit dem Tode endeten. Alles, was nicht niet- und
nagelfest war, wurde geraubt. Um dem Feind die Verfolgung zu erschweren, hatte
König Christian das Anzünden der Dörfer befohlen. hahausen ging
in Flammen auf. Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts hat man Grundmauern der
damals zerstörten Häuser gefunden.
Doch dürften sich die Soldaten König Christians nicht lange in
Hahausen aufgehalten haben. Da sie seit Tagen keine ordentliche Verpflegung bekommen
hatten, rissen sie das unreife Obst von den Bäumen und aßen es, was
sicher durchschlagende Wirkung gehabt hat.
Jenseits Hahausen dehnt sich als ein Viereck von etwa 8 km Seitenlänge, nach
Norden schmaler werdend, eine leicht gewellte Ebene, die rings von waldigen
Höhenzügen umschlossen wird. Drei Bäche, die Neile, die Hummecke
und der Steimker Bach, kommen von den Harzbergen herunter, schneiden in
Chronik, Seite 60
das Hügelland ein und streben geschlängelten Laufes zwischen saftigen Wiesen
gen Norden. Dörfer, einzelne Höfe und Mühlen liegen zerstreut in den
Mulden und an den Randhöhen. In diesem Gelände ist am blutigen Sonntag des
27. August 1626 die Entscheidungsschlacht zwischen Graf Tilly und König Christian
IV. von Dänemark geschlagen worden.
Wenn wir heute am Ortsrand von Hahausen stehen und das Gelände betrachten, auf dem
die Schlacht stattgefunden hat, so muss unser geistiges Auge manche Korrekturen
vornehmen. Zahlreiche Straßen durchschneiden jetzt das Gelände, und der Wald,
der im Jahre 1626 sowohl vom Harz wie auch von den Osterköpfen her bis weit in die
Ebene reichte, ist heute zurückgedrängt. Der Raum, auf dem die Schlacht
stattfand, war sehr klein. Man kann daher die Verwunderung des Generalstäbler
s
Förtsch (1)
nur teilen, wenn man bedenkt, dass hier insgesamt 40.000 Mann zum Einsatz kamen.
Unter dem Oberbefehl von Tilly stand das vereinigte ligistisch-kaiserliche
Heer in einer Stärke von 15.000 Man Infanterie, 5.000 Reitern und 18 Geschützen,
während König Christians protestantisches Heer aus 12.000 Mann Infanterie,
6.000 Mann Kavallerie und 20 Geschützen bestand.
Es mochte etwa 6 Uhr sein, als die Spitze des königlichen Heeres aus
dem Nordostausgange von Hahausen heraustrat. König Christian hatte
inzwischen erkannt, dass er sich nun nicht mehr vom Gegner lösen konnte.
Er ließ den Tross und die Masse der Artillerie im Marsch auf Lutter
und nahm auf der Höhe nord- ostwärts Hahausen jenseits der Neilewiesen
seine Schlachtordnung ein. Tilly sah sich dadurch gezwungen, auch seinerseits das ganze Heer
aufmarschieren zu lassen zu lassen, was Christian ja auch immer wieder
erreichen wollte, um Zeit zu gewinnen.
Dem protestantischen Heere folgten die Kaiserlichen und Ligisten auf
dem Fuße. Jedoch war die Tillysche Avantgarde mit drei Geschützen
erst am Morgen des 27. August bis Hahausen vorgedrungen. Als Tilly mit dem
Hauptheere in Hahausen ankam, musste er zunächst Halt machen, denn die
dänische Nachhut hatte die Höhen hinter dem Dorfe, die die Heerstraße in
Richtung Nauen beherrschten, besetzt. Er formierte daraufhin die
Avantgarde aus seinem Kerntruppen, den Infanterie-Regimentern Herliberg
und Reinach und den Reiterregimenten Schönberg und Kronberg
(2)
und schob bis an den Mittelbach und Neile vor. Infanterie und Artillerie
folgten.
Ehe nun Tilly mit seinem Aufmarsch ostwärts Hahausen fertig war, räumte der
Dänenkönig, unbelästigt vom Gegner, seine Stellung, und ging auf die
Hügel nord-
ostwärts der Hummecke zurück, wo er eine neue Schlachtordnung
zwischen der Pöbbeckenmühle und den waldigen und sumpfigen Ausläufer der
Harzwälder einnahm. Tilly rückte zunächst in die vom königlichen
Heere verlassene Stellung zwischen Neile und Hummecke ein. Er war zum Kampfe
entschlossen, hielt es aber für nötig, seinen durch die Märsche und
Kämpfe der letzten Tage erschöpften Truppen etwas Ruhe zu gönnen. Etwa
in der Mitte
(1) Förtsch, Friedrich, a. a. O.
(2) Die Kronberger, die "Unüberwindlichen" genannt, ritten schwarze Pferde, waren
schwarz gekleidet und trugen am schwarzen Helm einen weißen Totenkopf. Es war ein
bayrisches Regiment, sein Kommandeur hieß Kronberg
Chronik, Seite 61
seiner Front ließ er sechs Geschütze auffahren, gut im Buschwerk getarnt, die
sogleich das Feuer eröffnete3n, während der "Ausschuss" der Wallensteinischen
Kavallerie, also die Kroaten, sich mit den an die Hummecke- Übergänge
vorgeschobene
Sicherheitsabteilungen des Dänenkönigs herum schoss.
Höher und höher stieg die Sonne am wolkenlosen Himmel. Endlich hielt Tilly
den Zeitpunkt zum Angriff für gekommen. Eine "Musterung" wurde gehalten, bei der
der Feldherr die Front seiner Truppen abritt, die Parole "Seligste Jungfrau Maria"
zum Kampf anfeuerte und verbot, den Feinden Pardon zu gewähren. Nach einer
kurzen Pause gab Tilly den Befehl zum Angriff.
Es mag etwa 14 Uhr gewesen sein, als 5 Kompanien Kronberger Reiter, das
Kavallerie-Regiment Schönberg und die Infanterie-Regimenter Herliberg
und Reinach vom rechten Flügel über die Hummeckebrücke vorgingen.
Unangefochten kamen sie über den Bach. Als sic sich aber jenseits desselben zum
Angriff formierten, traf sie mit voller Wucht der Gegenstoß des linken Flügels
des dänischen Heeres. Es gelang diesen Truppen, drei Regimenter Tillys in erheblicher
Verwirrung zu stürzen, nur ein Regiment hielt diesem gut angesetzten Gegenangriff
stand. Es war das zuerst über den Bach gegangene. Offenbar stand es bereits in einer
festen Schlachtordnung. Tilly sandte seinen in Bedrängnis geratenen Truppen sofort
das Infanterie-Regiment Schmid zur Verstärkung, das die in Unordnung geratene
Regimenter mit sich fortriss und den Gegenangriff wieder in Gang brachte. Die
königlichen Truppen wurden zurück geworfen und gänzlich zersprengt.
In derselben Zeit, als der linke Flügel des dänischen Heeres zum Gegenstoße
gegen die über die Hummeckebrücke vorgedrungenen vier tillyschen Regimenter
antrat, ging auch die Infanterie der Mitte - drei Regimenter - unter dem Schutze der
Artillerie un mit dem Schlachtruf "Für Religion und Vaterland" über die
sumpfigen Hummeckewiesen zum Sturm auf die ligistische Stellung vor. Die Infanterie erhielt
jedoch gegnerisches Artilleriefeuer, als sie den Bachgrund überschritt. Trotzdem
gelang es den ungestüm vordringenden drei Regimentern Lohausen, Lindsdaw und Morgens
Kaas, Tillys Musketiere und Pikeniere zurückzuwerfen und bis zu den Geschützen
vorzudringen. Doch plötzlich eröffnete die zwischen Buschwerk und Hecken gegen
Sicht gut gedeckte Batterie das Feuer. Die Königlichen stürzten, und als sie sich
dann noch dem Feuer der die Batterie sichernden Musketiere des würzburgischen
Leibregiments ausgesetzt sahen, war ihre Angriffskraft gebrochen. Tilly gelang es, sein
Fußvolk zu sammeln und zum Gegenstoße vorzuführen. Es zeigte sich jetzt,
dass die jungen, noch wenig disziplinierten Soldaten des Dänenkönigs nicht genug
Kraft besaßen, um solch kritische Augenblicke zu überwinden. Der Gegner, durch
die rückgängige Bewegung der königlichen Infanterie ermutigt, folgte. Diese
geriet mehr und mehr in Verwirrung. In der allgemeinen Aufregung beschossen sich zwei
protestantische Regimenter gegenseitig. Die Infanterie wurde größtenteils
zersprengt.
Während dieser Vorgänge in unmittelbarer Nähe von Hahausen hatten beide
Heerführer noch weitergehende strategische Maßnahmen befohlen. So hatte Tilly
eine Umfassung des dänischen Heeres geplant und zu diesem Zweck Kroaten und leichte
Infanterie in den Gehölzen nord- ostwärts Hahausen postiert, während
Chronik, Seite 62
er drei schwere Kavallerieregimenter unter Dufour auf dem „harten
Wege" in Richtung Langelsheim in Marsch gesetzt hatte mit dem
Auftrag, die Flanke der Dänen anzugreifen. Christian IV. hatte, wohl
durch Kundschafter, von diesem Vorhaben erfahren und zur Abwehr der seiner
linken Flanke drohenden Gefahr den Rheingrafen Ludwig Otto mit den
Kavallerieregimentern Rheingraf und Courville und dem schwedischen
Regiment zu Fuß den kaiserlichen Einheiten entgegengeschickt.
Auf dem rechten Flügel der dänischen Front waren die beiden
Kavallerieregimenter Hessen und Solms nach überqueren der Brücke an der
Pöbbeckenmühle vorgegangen, zum Angriff links eingeschwenkt und gerade
im Begriffe, gegen die gegnerische Infanterie anzureiten, als sie von den
kaiserlichen Reiterregimentern Erwitte und Bock, die, hinter einer Höhe
versteckt, gehalten hatten, in der Flanke angegriffen wurden. Trotz
tapferer Gegenwehr wurden sie zurückgeworfen und in die sumpfige
Niederung gedrängt, wo die Pferde so tief einsanken, dass an Widerstand
nicht mehr zu denken war. Wer sich nicht retten konnte, wurde
niedergehauen. Auch die beiden Regimentskommandeure, Landgraf Philipp von
Hessen und Graf von Solms, fanden den Tod. Die Kämpfe auf dem
Pöbbeckenberge, von wo aus der König den Angriff angesetzt hatte, gingen
zwar noch weiter, aber die Schlacht war für ihn nicht mehr zu retten. Des
Königs Stellvertreter, General Fuchs, empfing hier, tapfer kämpfend, die
Todeswunde, der er bald darauf in Nauen erlag. Die Kämpfe verlagerten
sich jetzt in die Gegend nördlich von Nauen, wo das Reservecorps des
dänischen Heeres die Fliehenden aufnahm und zum Stehen brachte. Während
sich dieses Auffangen und Einordnen in dem Raum zwischen Nauen und der
wüsten Dorfstelle Rauten abspielte, traten die Verbände des Rheingrafen
in den Kampf gegen den über den „harten Weg" anrückenden Feind
ein. Als dann jedoch Dufour mit seinen 3 Kavallerieregimentern die linke
Flanke der Dänen attackierte und von Nauen her die Regimenter Cerboni und
Colloredo in den Kampf eingriffen, gab es für die dänische Armee kein
Halten mehr. Zwar gelang es dem König noch einmal, einige Truppenteile zu
sammeln, darunter sein Leibregiment zu Fuß und seine Leibschwadron, aber
alle Mühe war vergebens. Das dänische Heer löste sich auf und stürzte
sich in eine panikartige Flucht. Der König selbst hielt bis zuletzt aus
und entging nur mit knapper Not der Gefangennahme. Auf Umwegen gelangte er
durch den Wald zwischen überall umherschwärmenden tillyschen Reitern
hindurch auf die nach Wolfenbüttel führende Straße. Mit geringem
Gefolge und zu Tode erschöpft erreichte er die Okerfestung.
Was noch übrig blieb, 30 Fähnlein Infanterie, etwa 2.000 Mann, suchte
Zuflucht in dem festen Amtshause von Lutter, musste sich aber noch vor dem
Abend dem Gegner auf Gnade oder Ungnade ergeben. Nur ein Teil der
Kavallerie rettete sich nach Wolfenbüttel, die gesamte Artillerie fiel
Tilly in die Hände. Als die Flucht des dänischen Heeres einsetzte,
versuchte jeder, sich mit Hilfe der Pferde und Wagen so schnell wie
möglich aus dem Bereich der feindlichen Reiter in Sicherheit zu bringen.
Rücksichtslos stießen die Soldaten die Frauen und Kinder von den Wagen,
verdrängte der Stärkere den Schwächeren.
Chronik, Seite 63
Die Beute der Sieger an Gefangenen und Waffen
war groß. Die Besatzung von Lutter übergab bei der Gefangennahme 29
Feldzeichen der Infanterie. 32 weitere und 6 Kornette (Standarten) waren
in der Schlacht und bei der Verfolgung erobert, unter ihnen des Königs
Leibfahne. Dreißig Reiterstandarten wurden nach Wolfenbüttel gerettet.
Während nach General Förtsch die Verluste des dänischen Heeres etwa
10.000 Mann betragen haben sollen, geben zeitgenössische Berichte dessen
Verluste mit 4.000 Mann und die des ligistisch-kaiserlichen Heeres mit nur
200 Mann an. 1710" (1)
heißt es, dass „etliche 1.000 auf der Wahlstadt
geblieben". Die meisten Toten des dänischen Heeres dürften jedoch
nicht in der Schlacht gefallen sein, sondern wurden danach und auf der
Flucht niedergemacht. Insbesondere die Kroaten begannen eine blutige Jagd
auf verwundete und geflüchtete Protestanten. Tagelang wurde der Wald
durchsucht, man holte sie aus jedem Verstecke und schoß sie von den
Bäumen herunter. Doch auch die jahrelang bedrängten und ausgeplünderten
Bewohner der umliegenden Dörfer schlugen tot, was ihnen in die Hände
fiel, wenn auch die Zahl von 2.000 „Dänen", die allein im Dolger
Wald von Bauern erschlagen worden sein sollen, wohl ins Reich der Fabel
gehört. Tillys Soldaten ging es nicht besser, wenn sie sich zu weit von
ihrer Truppe entfernten, und so hat der Spitzname „Tilljackers"
für die Einwohner von Wolfshagen wohl doch etwas für sich. Angeblich
schlugen die Wolfshäger nach der Schlacht versprengte Angehörige von
Tillys Heer tot und zogen sich deren Jacken an.
Am 28. August blieb Tilly in Lutter und ließ die Toten begraben. Seine
Verwundeten schickte er nach Goslar, wo viele noch an ihren Wunden
starben. Die gefangenen Offiziere vom Hauptmann abwärts sandte er nach
Alfeld, die höheren nach Bockenem in Gewahrsam, während die gefangenen
Soldaten größtenteils auf die kaiserlich-ligistischen Regimenter
verteilt wurden. Ein Massengrab der in der Schlacht gefallenen Soldaten hat
man bisher nicht gefunden. Doch General Fuchs, der König von Dänemark
nannte ihn in einem Brief „general fux", hatte, als man ihn schwer
verwundet nach Nauen brachte, wo er starb, den Wunsch geäußert, an
der Stelle, wo er die Todeswunde erhalten hatte, begraben zu werden.
Das Grab soll bis um 1750 durch eine Familie Achilles in Nauen instand
gehalten worden sein. Als Anfang des 19. Jahrhunderts die Straße von
Neuekrug nach Lutter ausgebaut wurde, stieß man auf ein Grab, das ein
auffallend großes Skelett und ein kostbares Schwert enthielt.
Tilly hatte mit dem Sieg bei Lutter seine 18. Schlacht gewonnen. Er wurde
mit Ehrungen überhäuft. Papst Urban VIII. erteilte ihm seinen
apostolischen Segen und ermunterte ihn: „Auf denn, geliebter Sohn, zur
Vertilgung der Ketzer, folge Gott als Führer und deiner Tapferkeit!"
Besonders schwer hatten Dörfer und Städte der näheren Umgebung nach der
Schlacht unter Einquartierungen und Drangsalierungen zu leiden; immerhin
hielt sich Tilly noch bis 1632 in Niedersachsen auf. Über das schwere
Schicksal von Hahausen wurde bereits im vorigen Kapitel berichtet.
(1)
St. A. Wob. 8 Alt Lu 88, S. 18
Chronik, Seite 64
Mit den Jahren vernarbten die Wunden des Krieges, doch hat
sich die Erinnerung an die Schlacht in der Überlieferung der Hahäuser
Einwohner bis auf den heutigen Tag erhalten. Zahlreiche Waffen- und
Ausrüstungsfunde wurden im Laufe der Jahrhunderte gemacht, die sich
heute, wenn sie nicht wieder vergessen, verlegt oder verloren wurden, im
Landesmuseum in Braunschweig oder in den Heimatmuseen der Umgebung
befinden. Zuweilen noch wirft die Pflugschar ein Rost zerfressenes
Hufeisen, einen Sporn oder einen kaum noch erkenntlichen Degengriff an die
Oberfläche der Erde und erinnert die Bewohner von Hahausen an das große
kriegerische Ereignis, das ihre Vorfahren vor vielen hundert Jahren,
erfüllt von Schrecken und Furcht, miterlebt haben. Zeugen der Schlacht
sind auf dem Schlachtfeld kaum noch vorhanden. Selbst die 50 Pfund schwere
Kanonenkugel, die jahrzehntelang auf einem Sockel im Garten der
Pöbbeckenmühle aufbewahrt wurde, ist gestohlen worden.
An der Stelle, wo
General Fuchs verwundet und begraben wurde, ließ der Rentner H. Winnecke
aus Nauen im Jahre 1908 einen Gedenkstein errichten. Dieser Stein ist,
nachdem er wegen des Ausbaus der B 248 im Herbst 1969 versetzt worden war,
gemeinsam mit einem weiteren Gedenkstein, der 1970 von Nauener Mitgliedern
des Harzklub-Zweigvereins Lutter gestiftet war, Anfang des Jahres 1979
wieder an seinen alten Platz zurückgekehrt. Im Jahre 1850 berichtete
Lichtenstein (1) noch von Schanzen aus der Schlacht:
„Sie laufen von der alten Heerstraße in einer Länge von 130 Schritten
parallel dem Walde zu. Zuerst sieht man von Hahausen aus (gegen Nauen zu)
eine Vertiefung, 8 Schritte breit, vom Volke Vorgraben genannt, dann einen
jetzt noch 4-6 Fuß hohen Erdaufwurf, der oben 10 - 12 Fuß breit gewesen
zu sein scheint, dann eine etwa 8 Fuß breite Vertiefung, darauf eine
Erhöhung, die oben nicht ganz so breit wie die erstere gewesen sein wird,
und zuletzt wieder eine 6-8 Fuß breite Vertiefung. Das Ganze kann nur zur
Deckung der Batterie gedient haben, die Stücke selbst können nicht darin
aufgestellt gewesen sein."
Steinacker
(2)
schrieb 1910: „Die Überlieferung ist noch
an einige, zum Teil neuerdings (also 1910) eingeebnete, südlich der
Pöbbeckenmühle von Westen her dem Bach (Neue) zuziehende Gräben
geknüpft, dass dies „Schützengräben" seien."
(1) Lichtenstein, a. a. O.
(2) Steinacker: Die Kunstdenkmäler des Kreises Gandersheim, 1910, S. 369
Chronik, Seite 65
In Hahausen erzählt man sich folgende Sage:
In der Nacht vom 27. auf den 28. August, dem Jahrestag der Schlacht, ist
es auf dem Schlachtfeld nicht geheuer. Es klopft dann jemand an die
Türen. Wer hinaussieht, sieht ein kopfloses Pferd mit einem ebenfalls
kopflosen Reiter. In dieser Nacht fangen in den Dörfern der Ebene von
Lutter die Glocken von selbst an zu läuten. Dann stehen am Soltborn die
Gefallenen aus ihren Gräbern wieder auf. Fünfzig bis sechzig Reiter
erheben sich und reiten auf den Pöbbeckenberg. Aus dem Radebruche kommen
ebenso viele weißgekleidete Reiter heran und kämpfen mit diesen auf dem
Pöbbeckenberge. Dabei erhebt sich in den Lüften ein großes Geschrei und
Geheul. Wer um diese Zeit dort vorbeikommt und sich aufhält, um
zuzusehen, fällt und bricht ein Bein. Wenn es in Hahausen und Lutter in
der Kirche eins schlägt, ist der Spuk vorbei und alles wieder still.
Chronik, Seite 66
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